Lia und die rosa Weihnachtskugel

von Sonja Kerschbaumer

Lia ist ein kleines, freundliches Mädchen, das mit ihren Eltern in einem schönen Haus wohnt. Eigentlich verlaufen ihre Tage ziemlich ruhig. Sie freut sich immer, wenn ihr Papa von der Arbeit nach Hause kommt. Dann spielt er nämlich immer mit ihr. Meistens sogar das, was Lia möchte. Das freut sie immer sehr. Doch heute nicht. Heute sagt Lias Mama ihrem Papa gleich, als er bei der Tür reinkommt, er solle auf den Dachboden gehen und die Weihnachtskiste holen.

„Die Weihnachtskiste!!!“, ruft Lia und ihre Augen werden groß. „Es ist soweit! Weihnachten ist da!“ Sie freut sich. Auch ihre Mama hat ein breites Grinsen im Gesicht. Lia mag es, wenn Mama glücklich aussieht. Dann funkeln ihre Augen nämlich so schön. Papa kommt mit einer riesigen Kiste ins Wohnzimmer. Lia ist aufgeregt und beginnt stürmisch, die in Zeitungspapier eingewickelten Kugeln auszupacken. Die erste, die sie erwischt, ist rosa mit weißer Schrift. „Was steht da?“, will Lia wissen. „Zeig mal!“, meint Papa. „‘Mein erstes Weihnachten‘ steht da. Auf die musst du gut aufpassen! Das ist Mamas Lieblingskugel“, sagt Papa freundlich, aber bestimmt.

Lia nimmt die Kugel vorsichtig in die Hand. Sie glitzert so schön und ein Schaukelpferd ist auch noch drauf. Dann fällt ihr Blick wieder in die Weihnachtskiste. Oh, da ist ja die Krippe, mit der sie jedes Jahr so gerne spielt. Hastig will sie sie herausnehmen, denkt dabei nicht mehr an die Kugel in ihrer Hand und lässt sie los. Lia merkt gar nicht, was geschieht, bis ein lautes „Pling!“ zu hören ist, das so klingt, als würde Glas zerbrechen.

Lia schaut auf den Boden. Lauter rosa Scherben liegen da. Niemand sagt etwas, alle schauen nach unten. Lias Mama schaut traurig aus und das Mädchen kann sehen, wie ihre Augen zu glitzern beginnen. Sie steht auf und holt eine Schaufel und einen Besen. Immer noch hat niemand etwas gesagt. Lia ist traurig. Sie wollte die Kugel nicht kaputtmachen. In ihrem Hals bildet sich ein dicker Kloß und sie spürt, wie dicke Tränen über ihre Wangen kullern.

„Entschuldigung, Mama“, sagt Lia traurig und wütend auf sich selbst. Ihre Mama sagt noch immer nichts. Stattdessen breitet sie einfach ihre Arme aus und Lia sinkt erleichtert in ihren Schoß.

„Warum weinst du?“, fragt Mama mit sanfter Stimme und streicht dabei Lia über den Kopf.

Lia möchte etwas sagen, doch der Kloß in ihrem Hals lässt sie nicht.

„Weißt du, diese Kugel hat mir viel bedeutet. Weil sie mich an ein wunderschönes Weihnachten mit dir als Baby erinnert hat“, redet Mama weiter.

„Siehst du Mama, deshalb weine ich. Weil du traurig bist“, schluchzt Lia.

„Ich bin nicht traurig. Ich bin froh“, erwidert daraufhin ihre Mama.

Lia versteht die Welt nicht mehr. Wie kann man denn gleichzeitig froh und traurig sein?

„Diese Kugel hat mir zwar viel bedeutet, aber am Ende ist sie nur ein Andenken an eine Erinnerung, die ich habe. Aber wenn ich dich anschaue, erinnere ich mich an alle bisherigen Weihnachtstage. Und an die vielen tollen Sachen, die wir schon gemeinsam erlebt haben. Aber vor allem daran, wie lieb ich dich habe!“

Lia kuschelt sich noch tiefer in Mamas Arme und ist erleichtert. „Alles wieder gut“, denkt das Mädchen bei sich.

Jetzt lächeln wieder alle und packen weiter die Weihnachtskiste aus. Das ganze Haus erstrahlt im sanften Schein der Kerzen und Lichterketten. Zur Krönung gibt es noch Kekse und Kakao mit Milchschaum.

„Was für ein toller Tag“, sagt Lia leise zu sich selbst, als ihr im kuschelig warmen Bett langsam die Augen zufallen. Und kurz bevor sie einschläft, ist ihr letzter Gedanke: „Solange wir uns lieb haben, ist alles gut!“

Sonja Kerschbaumer ist Autorin, Ghostwriter und Unternehmerin im Bereich Gartenbau und Floristik.

Sie ist außerdem Vollblutmama einer wunderbaren Tochter, die gleichzeitig ihr größter Fan ist. Fantasie ist eine Gabe, die sich in vielen ihrer Werke widerspiegelt. So entstehen vom Leben inspirierte Geschichten für Groß und Klein.

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