„Zweite Kasse, bitte!“, ruft der Mann vor mir lautstark durch den Supermarkt.
Anfangs habe ich mich noch erschreckt, doch nun wundert mich gar nichts mehr. Das ist nun schon der 17. Supermarkt, in dem ich heute Schokolade-Nikoläuse und -Krampusse kaufe. Meine Produktionsmaschine für Süßigkeiten hat nämlich den Geist aufgegeben, und deswegen muss ich dieses Jahr die Schokolade im Supermarkt kaufen. Wie der Rest der Welt.
Als Nikolo hat man allerdings keinen Vorteil im Supermarkt. Ich muss mich genauso anstellen wie alle anderen Leute und darf nur eine kleine Menge für den persönlichen Gebrauch kaufen. Der ersten Kassenkraft habe ich versucht zu erklären, dass ich der Nikolo bin. Sie hat daraufhin zu lachen begonnen und gemeint, dass sie das Christkind sei. Dann sagte sie noch, ich solle mich hinten anstellen. Ziemlich frech. Ich kenne doch das Christkind persönlich und diese Frau war es definitiv nicht. Ich war verwirrt und stellte mich ans Ende der Schlange.
Ein Supermarkt ist wie der andere. Ich gehe freudestrahlend durch die Gänge und werde immer wieder angerempelt. Einmal schiebt eine ältere Dame sogar ihren Einkaufswagen gegen meinen Hintern. Ich bin ihr wohl im Weg gewesen und schlussendlich entschuldigte ich mich noch dafür. Wenn das so weitergeht, dann bekommen die Kinder dieses Jahr keine Schokolade in ihr Nikolosackerl. Meine Stimmung wird immer schlechter, meine Mundwinkel hängen nach unten und schließlich brülle ich selbst schon lautstark nach einer weiteren Kassa. Ich wünsche mir einfach eine Umarmung. Kann dieses Jahr nicht einfach jemand anderer Nikolo sein?
Da höre ich die Stimme meiner Mutter in meinen Ohren: “Wenn es noch nicht gut ist, kann es nicht das Ende sein. Denn am Ende wird immer alles gut.“ Sie hat das manchmal zu mir gesagt, wenn es mir schlecht ging. Immer hatte sie recht. Also überlege ich, wer mir in dieser Situation helfen könnte. Ich telefoniere meine Freunde durch und lande schließlich beim Osterhasen. Natürlich! Er hat ja auch eine Schokoladenproduktionsanlage, um jedes Jahr die vielen Schokolade-Osterhasen herzustellen. Er ist gerade zu Hause und sofort mit an Bord. Denn glückliche Kinder sind ihm das ganze Jahr über wichtig. Der Osterhase hat einfach ein gutes Herz.
Gemeinsam versuchen wir, seine Maschine umzuprogrammieren. Wir sehen immerhin etwas unterschiedlich aus. Ich bin ein Mensch und er ein Hase. Wir brauchen also eine Figur mit langen Beinen, kleinen Ohren, langem Bart und großer Mütze auf dem Kopf. Doch der Maschine ist es offensichtlich nicht so recht, nach 100 Jahren plötzlich andere Figuren zu erzeugen. So kommen also ganz seltsame Nikolausmänner ans Tageslicht. Ein paar haben große Schlappohren, manchmal fehlt die Mütze und wieder andere haben ganz kurze Hasenpfoten. Es sind allesamt sichtlich besondere Kunstwerke. Nicht perfekt. Aber viel besser so, als müsste ich die Kinder am 6.Dezember enttäuschen.
Die Nikolosackerl gehören nämlich schon ausgeliefert, damit sich alles ausgeht.
Also mein liebes Kind, schau dieses Jahr besonders auf deinen Schokolade-Nikolo. Vielleicht entdeckst du eine neue Kleinigkeit an mir, die von der Schokolademaschine des Osterhasen stammt.
Kerstin Renner ist Autorin, Ghostwriter und Mentaltrainerin.
Sie ist Lebensfreude in Person.