Alles eine Frage der Perspektive: die Erzählperspektiven im Überblick
Hast du dir schon einmal bewusst überlegt, aus welcher Perspektive du schreibst? Oder schreibst du einfach drauf los? Das ist absolut in Ordnung: Die meisten von uns haben eine Lieblingsperspektive. Das heißt, wir schreiben ganz automatischer in dieser Perspektive, weil es uns leichtfällt.
Dennoch kann es hilfreich sein, dass du dir Gedanken zur Perspektive machst. Einerseits, damit du bewusst darauf achten kannst, ob du auch wirklich in einer Perspektive bleibst oder wechselst oder – und das bitte vermeiden – wirr durcheinandermischst. Perspektivenwechsel sind – mit Maß und Ziel – absolut in Ordnung, wenn man sie bewusst macht.
Aber was ist eine Erzählperspektive überhaupt?
Lies mal, wer da spricht
Jede Geschichte hat einen Erzähler. Das ist die Erzählstimme oder eben Erzählperspektive. Der Erzähler erzählt die Geschichte, also jenen Teil, der nicht von Figuren gesprochen wird (Figurenstimmen). Zu den Figurenstimmen findest du hier mehr: Link zu Blogartikel.
Die Erzählstimme hat folgende Aufgaben:
1. Sie informiert über Figuren, Umstände und Ereignisse.
Beispiel: Denk an einen Thriller über einen Serienmörder. Die Detectives sind ihm auf der Spur, haben aber noch keine Ahnung von seiner Identität.
Detective Brand und Detective Waters hatten noch kein Frühstück zu sich genommen, als sie zu einem neuen Tatort gerufen wurden. Das war weder für Brand noch für Waters ungewöhnlich – entgegen aller Annahmen und Darstellungen in diversesten Fernsehserien gehörten sie nicht zu den Polizisten, die mehr Zeit mit Kaffee und Doughnuts verbrachten als mit ihren tatstächlichen Aufgaben.
Hier haben wir also mal Informationen zu den Hauptfiguren bekommen.
Der Tatort sah aus wie die anderen davor. Die Leiche war mit einem festen Seil an einen dicken Baum gebunden und blutüberströmt. Vermutlich auch deswegen, weil der Kopf fehlte.
Das sind die Informationen zum Umfeld.
Brand und Waters gingen schnurstracks auf die Gerichtsmedizinerin zu, die die kopflose Leiche gerade untersuchte. Den Blick auf den Punkt gerichtet, an dem der Kopf der toten Person hätte sein sollen, konzentrierte Waters sich nicht auf ihre Schritte und stolperte. Als sie nachsah, worüber sie gestolpert war, konnte sie ihren Augen kaum trauen.
Hier werden wir über das Ereignis informiert.
2. Sie berichtet, was die Figuren sagen, denken und fühlen.
Waters schluckte. Gut, dass sie nicht gefrühstückt hatte, sonst wäre ihr wahrscheinlich alles wieder hochgekommen.
Hier erfahren wir die Gedanken von Waters.
„Brand, komm her! Das musst du dir ansehen!“, rief sie ihrer Kollegin zu, die schon vor der kopflosen Leiche bei der Gerichtsmedizinerin stand.
Hier wird über die Aussage der Figur berichtet. Aber Achtung: Was der Charakter sagt, gehört nicht mehr zur Erzählstimme, sondern zur Figurenstimme.
Während Brand auf sie zukam, ging Waters in die Hocke und besah ihre Stolperfalle genauer. Sie schüttelte sich, mehr innerlich als äußerlich. Immerhin wollte sie vor den Kollegen und vor allem von den jungen Kollegen Haltung bewahren. Aber tief drinnen war er da, der Ekel.
Und hier sind wir mitten im Gefühl von Waters.
Wichtig: Der Erzähler ist übrigens nicht mit dem Autor identisch. Er ist auch keine Figur in der Geschichte. Es gibt einen Sonderfall, dazu kannst du bei der allwissenden Perspektive mehr lesen.
Entscheide dich: Welche Perspektive soll es denn sein?
Die Perspektive beeinflusst das Erlebnis für die Leser:innen positiv wie negativ. Je nach Erzählperspektive wissen Leser:innen mehr oder weniger über die Handlung, die Figuren und deren Hintergründe. Dabei werden (mehr oder weniger) Emotionen aufgebaut, eine Identifikation mit einer oder mehreren Figuren hergestellt und vor allem auch Spannung erzeugt.
Wenn du deinen Text überarbeitest, achte auch auf die Perspektive. Du musst nicht bewusst darauf achten, wenn du eine Szene o.ä. erstmals zu Papier bringst, weil dich das möglicherweise im Schreibfluss behindert. Wichtig ist, dass du dir vorab (bevor du das Buch startest) überlegst, aus welcher Perspektive (oder welchen Perspektiven) du schreiben möchtest. Dann schreib drauf los und wenn du den Text noch einmal durchliest und/oder überarbeitest, achte darauf, ob du bei deiner Perspektive geblieben bist.
Wenn du beim Schreiben (oder beim Durchlesen) merkst, dass du immer wieder aus der geplanten Perspektive fällst, überleg dir, ob das wirklich die geeignete Perspektive für dich ist. Je nach Genre kann die eine oder andere Perspektive besser sein. Es liegt aber auch an dir, welche Perspektive für dich gut funktioniert. Manche Autor:innen schreiben liebend gern und viel leichter in der Ich-Perspektive. Bei anderen wiederum funktioniert diese Perspektive gar nicht. Es kann auch sein, dass du beim Schreiben schon merkst, du kommst nicht richtig in den Fluss – auch das kann an der Perspektive liegen. Dann bitte unbedingt wechseln zu einer Perspektive, mit der du dir leichter tust.
Damit du dich für die richtige Perspektive in deinem Buch entscheiden kannst, findest du hier alles zu den einzelnen Perspektiven sowie zum Perspektivenwechsel:
Die allwissende Erzählperspektive: Wir sind Alleswisser
Die neutrale Erzählperspektive: der Blick von oben, aber niemals in die Tiefe