Weihnachten mit Gecko
von Monika Bock
von Monika Bock
Der kleine Gecko starrte die runde, durchsichtige Kugel an. Verwundert betrachtete er den Inhalt der Kugel – ein dreieckiges, grünes Ding mit Stacheln und weißem Staub. Das Tierchen sah zum ersten Mal eine Schneekugel. Der kleine Gecko kannte weder kaltes Wetter und Schnee noch Tannenbäume und auch nicht Weihnachten. Wie das möglich ist? Ganz einfach: Dort, wo er lebt, gibt es keinen Winter. Diese Tiere brauchen viel Wärme und Sonne. Jetzt fragst du dich sicher, wie der kleine Gecko zu einer Schneekugel kam. Auch das ist schnell erklärt. Die Schneekugel gehörte Timmy. Er hatte sie letzte Woche von seiner Oma bekommen. Timmy war mit seinen Eltern erst vor Kurzem nach Madagaskar gezogen. Sein Papa arbeitet da bei einer großen Firma. Timmys Oma wollte sichergehen, dass er nicht vergisst, wie Weihnachten in Österreich ausschaut, und hat ihm deshalb eine Schneekugel geschickt. Du hast es sicher schon erraten: Das stachelige grüne Ding, das der kleine Gecko in der Kugel gesehen hat, ist ein Tannenbaum, und das weiße Pulver ist der Schnee.
Der kleine Gecko war sozusagen das Haustier von Timmys Familie. Er hatte eine sehr wichtige Aufgabe in ihrem Haus, er fraß alle Mücken – das tun diese Tierchen nun mal. Deshalb durfte er auch an den Wänden herumlaufen. Ja, du hast richtig gehört: Geckos können mit ihren Füßchen Wände entlangklettern.
Als Timmy ins Zimmer kam, versteckte sich der kleine Gecko schnell in einer Ecke. Der Junge nahm die Glaskugel und schüttelte sie kräftig. Er beobachtete, wie der Schnee darin über den winzigen Tannenbaum rieselte.
Der kleine Gecko wurde mutig und kletterte aus seiner Ecke hervor. Tommy erschrak nicht, schließlich hatte er ihn schon oft gesehen. „Na du Gecko, du hast es gut. Dir kann Weihnachten egal sein. Aber mir nicht. Vielleicht findet mich hier das Christkind gar nicht. Es weiß vielleicht nicht, dass ich umgezogen bin.“
Der kleine Gecko wunderte sich – er hatte noch nie erlebt, dass ein Mensch mit ihm spricht. Er starrte den Jungen mit seinen kugelrunden dunklen Augen an und kannte sich absolut nicht aus.
Du wirst es jetzt schon bemerkt haben: Der kleine Gecko hatte auch noch nie von Weihnachten gehört und daher keine Ahnung, wovon Timmy sprach.
Timmy näherte sich ihm und streckte die Hand in seine Richtung aus. Der Gecko zuckte zurück. „Hey, ich tu dir nichts. Willst du mein Freund sein? Ich kenne hier doch niemanden sonst“, sagte Timmy und kam noch einen Schritt näher. Der kleine Gecko wurde neugierig und krabbelte vorsichtig auf die Hand. „Das kitzelt“, kicherte Timmy und ließ ihn auf seinen Arm klettern.
„Mama, schau mal, er mag mich!“ Freudestrahlend drehte er sich mit dem kleinen Gecko am Arm zu seiner Mutter um, die grade ins Zimmer gekommen war. „Oh! Na, der ist ja zutraulich.“ Seine Mama war nicht zimperlich, denn sie arbeitete bei einem Tierarzt. Da kamen ihr noch ganz andere Tiere unter.
Es waren noch zwei Wochen bis Weihnachten. Der kleine Gecko lernte in dieser Zeit sehr viel über das Fest und welche Rolle das Christkind dabei spielt. Timmy erzählte seinem tierischen Freund alles, was er so wusste, über Tannenbäume, glitzernden Weihnachtsschmuck, wie wunderbar Weihnachtskekse duften und schmecken und natürlich auch, wie das mit den Geschenken so ist. Timmy hatte sonst noch keine Freunde, sie waren ja erst vor kurzem hergezogen und er konnte die Sprache der Menschen in Madagaskar noch nicht. Dort spricht man Französisch. Wenn er mit dem kleinen Gecko sprach, spielte das keine Rolle. Tiere spüren, was man ihnen erzählt – da ist es egal, welche Sprache man benutzt
Der kleine Gecko merkte, dass Timmy immer wieder traurig wurde, wenn er vom Christkind erzählte und dann kuschelte er sich auf seine Schulter, um ihn ein bisschen zu trösten. „Weißt du, kleiner Gecko, ich habe Angst, dass das Christlind gar nicht weiß, wo ich jetzt wohne. Vielleicht sucht es mich in meinem Haus in Österreich und kann mir dann kein Geschenk bringen. Ich wünsche mir doch so sehr einen Tretroller.“ Mit seinen großen, dunkeln, kugelrunden Augen schaute Gecko Timmy an und dachte sich: „Was ist ein Tretroller?“
Immer, wenn Timmy betrübt war, schüttelte er seine Schneekugel ganz fest und schaute zu, wie der Schnee darin ganz langsam über die Tannenbäumchen fiel. Das heiterte ihn dann wieder ein bisschen auf.
Seine Mama bemerkte seine Stimmung. „Schreib doch bitte den Brief ans Christkind, es findet dich dann schon. Mach dir keine Sorgen.“ „Aber woher soll es denn wissen, wo ich bin?“ fragte Timmy verunsichert. „Glaub einfach daran, ich denke, das ist das Wichtigste. Glaub ganz fest daran, dass dich das Christkind auch hier in Madagaskar findet, dann klappt das schon.“ „Na, wenn du meinst!“ Schulterzuckend ging Timmy in sein Zimmer und schrieb einen Brief an das Christkind. So wie jedes Jahr legte er ihn auf das Fensterbrett. „Okay, kleiner Gecko, du musst mir jetzt helfen und auch ganz, ganz fest an das Christkind denken. Mama sagt, das funktioniert. Ich hoffe, sie hat recht.“
Dann war es endlich so weit, der Weihnachtstag war gekommen und aufgeregt lief Timmy mit dem kleinen Gecko auf der Schulter ins Wohnzimmer. Es sah zwar alles ein bisschen anders aus, als er es aus Österreich gewohnt war, aber jedes Land hat seine Eigenheiten. Bisher hatten sie immer einen großen Tannenbaum mit glitzernden Kugeln darauf gehabt. Hier gab es ein recht kleines, sehr stacheliges Nadelbäumchen in einem Blumentopf. Es war auch keine Tanne, die gibt es in Madagaskar nicht. Geschmückt war das Bäumchen mit bunten Girlanden, wie es hier so üblich ist. Mama hatte sich sehr bemüht, um alles schön festlich zu machen und Timmy fand es auch ohne Tanne wunderschön. Neben dem Bäumchen lagen Geschenke. Timmy schaute unsicher zu seiner Mama. „Darf ich?“ „Ja, mein Schatz, sieh nach, was dir das Christkind gebracht hat!“ erwiderte sie lächelnd. Timmy stürmte zu den Päckchen und fand sofort eines, das eine sehr interessante Form hatte. Und da schaute auch schon ein kleines Rad aus dem Papier. Aufgeregt riss er das Päckchen auf. Der kleine Gecko hatte Mühe, sich in dem ganzen Trubel mit seinen kleinen Pfötchen an Timmys Schulter festzuhalten.
Timmy strahlte. „Mama! Ich habe einen Tretroller bekommen, genauso einen wie ich mir gewünscht habe. Das Christkind hat mich gefunden!“ Lachend strich Mama ihm über die Haare. „Siehst du? Es hilft, wenn man ganz fest an etwas glaubt.“
Der kleine Gecko fand sein erstes Weihnachtsfest übrigens auch ganz wundervoll.
Monika Bock ist Coach und Beraterin für hochsensible Menschen.
Mehr zu ihr findest du unter www.bock-auf-hsp.com