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Die Käsegnome retten Weihnachten!

von Jennifer B. Wind

Dicke Flocken fielen vom Himmel und deckten die Landschaft mit einer flauschigen Wattedecke zu. Dazu pfiff der Wind durch den Gnomi-Wald. Dick eingemummt kauerte der Käsegnom Flecki hinter dem Felsen und sah erschrocken mit an, wie ein Elfengnom nach dem anderen in die gruselige Kutsche des grausamen Dunkelgnoms gezerrt wurde. Dabei rutschte einer der Weihnachtshelferlein auf dem eisigen Weg aus und fiel vornüber. Das Glöckchen der Mütze, die dabei von einem Windstoß weggeweht wurde, schallte durch die Nacht.

Fleckis Beine zitterten. Was sollte er tun? Allein konnte er nichts gegen die Bande ausrichten. Als einer der Bösewichte den Schlitten an die Kutsche binden wollte, hatte er nicht mit den flinken Renngnomen gerechnet, die mitsamt dem Schlitten davonflitzten. Doch zwei der Geschenksäcke hatten die Räuber bereits in der Kutsche verstaut, mit der sie ebenfalls davonfuhren und den Renngnomen hinterherbrausten. Nach einer Weile wagte sich Flecki hinter dem Felsen hervor und schlich in die Hütte. Der Weihnachtsgnom lag auf dem Teppich in der Wohnstube, hielt sich das Bein und weinte dabei.

„Oh, Gnomine. Oh, Gnomine!“ Er schniefte. „Weihnachten fällt heuer wohl aus.“

Flecki half dem Weihnachtsgnom auf das Sofa.

„Aber Weihnachten darf nicht ausfallen!“

„Was soll ich denn machen? Der Dunkelgnom hat seine Drohung wahr gemacht und meine Elfengnome und alle Geschenke in sein Reich mitgenommen.“

„Die Renngnome sind mit dem Schlitten entwischt.“

„Tatsächlich?“

Flecki nickte. Der Weihnachtsgnom reichte ihm eine Flöte.

„Mit dieser Flöte kannst du die Renngnome rufen.“ Er wog den Kopf hin und her und strich sich mit der rechten Hand über seinen Bart. „Aber selbst wenn sie zurückkommen, mit meinem gebrochenen Bein kann ich leider die Geschenke nicht ausliefern.“

Flecki dachte nach. Er holte aus dem Kasten eine Decke und legte sie dem Weihnachtsgnom über den zitternden Körper.

„Ich habe eine Idee“, sagte er, verabschiedete sich und lief nach Hause. Da erzählte er seinen Eltern und Geschwistern von der Misere. Seine Mama machte sich sofort auf den Weg, um das Bein des Weihnachtsgnoms zu verarzten.

„Wir müssen Weihnachten retten!“ Fleckis Schwester Schneeflocke hüpfte in ihre  Stiefel.

„Aber wie? Ohne die Elfengnome ist das doch unmöglich“, entgegnete Flecki. Alle anderen Käsegnome hoben fragend die Hände. Streifi kratzte sich am Kopf.

„Also wenn wir das auch ohne Glöckchenmütze machen dürfen, könnten wir doch die Elfengnome ersetzen.“

Flecki nickte eifrig, zog die Flöte hervor, öffnete das Fenster und spielte darauf eine Melodie. Es dauerte nicht lange und der Schlitten kam quietschend vor der Höhle zum Stillstand. Der Anführer der Renngnome wischte sich den Schweiß von der Stirn und klopfte sich den Schnee von der Hose.

„Der Dunkelgnom hätte uns beinahe erwischt.“

„Wir müssen schnell sein!“, rief Brownie aus.

„Wir haben nicht mehr viel Zeit“, stimmte Streifi zu.

Tatsächlich waren es nur noch vier Stunden bis Mitternacht. Sofort schritten die Käsegnomkinder zur Tat. Nachdem sie den Renngnomen etwas zum Trinken gegeben hatten, ging es los. Mit dem Schlitten fuhren sie alle Geschenke aus. Die Pakete waren gut beschriftet, zudem lag im Schlitten eine Namensliste und so fanden die Käsegnome alle Tier- und Gnomfamilien des Gnomi-Waldes. Bald waren die Säcke leer.

„Oh Gnomine!“, rief Flecki aus. „Wir haben keine Geschenke mehr!“

„Wer ist denn noch übrig?“

Schneeflocke schaute auf die Liste. Die Mäusefamilien waren übrig.

„Was nun?“

Doch hier wusste nicht einmal Flecki Rat. Mit gesenkten Köpfen fuhren sie nach Hause zurück. Dort duftete es bereits in der ganzen Höhle nach Käsefondue. Das aßen sie zu Weihnachten am liebsten. Mama rührte im Topf. Auf dem Sofa saß der Weihnachtsgnom mit eingegipstem Bein und löffelte eine Käsesuppe. Die Mutter blickte auf die müde dreinschauenden Renngnome.

„Ich glaube, ich muss mehr kochen. Flecki, holst du mir bitte noch Nachschub aus der Vorratskammer?“

Als Flecki zusammen mit Brownie in die Kammer ging und die vielen Käsestapel dort sah, lachte er laut. Natürlich! Rasch weihte er seine Geschwister in seinen Plan ein und die Renngnome fanden noch Geschenkpapier in der Tasche beim Schlitten. Die Käsegnome schnitten aus den großen Käseziegeln schöne Formen aus: Sterne, Bäume, Kugeln, Herzen und wickelten sie in das Papier. Kurz vor Mitternacht hatten sie es geschafft, die Pakete bei allen Mäusefamilien auszuliefern. Durch eines der Fenster beobachtete Flecki die staunenden Gesichter der Mäusekinder. Kurz hatte er Panik, dass es eine schlechte Idee gewesen war. Denn soweit er wusste, aßen Mäuse ja nur Speck. Streifi, der neben ihm auftauchte, lachte, als er sah, dass eines der Mäusemädchen den Stern auf den Weihnachtsbaum hing, anstatt ihn zu essen, und ein Mäusejunge mit der Käsekugel Fußball spielte. Klar, Käse hatten die Mäusekinder noch nie gesehen.

Nach einer Weile jedoch kauten alle Mäuse genüsslich auf ihren Geschenken herum und Flecki und seine Käsegnom-Geschwister gingen erleichtert nach Hause, wo sie alle zusammen die Rettung von Weihnachten feierten, bevor sie sich dazu aufmachten, die Elfengnome aus den Fängen des Dunkelgnoms zu retten.

Doch das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden.

Eines steht jedenfalls fest: Seit diesem besonderen Weihnachtstag essen Mäuse mit Vorliebe Käse.

Jennifer B. Wind wurde in Leoben geboren und lebt mit ihrer Familie in Niederösterreich. Die ehemalige Flugbegleiterin schreibt Romane, Drehbücher, Theaterstücke und Kurztexte für Kinder (u.a. für die Kids Krone und Kinderknigge), Jugendliche und Erwachsene, die bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurden. Ihr Debütthriller „Als Gott schlief“, wurde zum Bestseller. „Die Maske der Gewalt“ stand wochenlang auf der Bild Bestseller Liste. Als Coach und Mentorin kümmert sie sich um Nachwuchsautor*inn*en, arbeitet ehrenamtlich für diverse Autor*inn*envereine und sitzt seit 2012 in der Jury des Kinder- und Jugendkurzkrimiwettbewerbs Schreib.art sowie des Zeilen.lauf Lyrik und Kurzkrimipreises für Erwachsene.

Foto: ©Markus Achleitner