Vom Schreiben leben –
oder wieso Samstagabende nur mit Laptop so richtig Spaß machen
Es ist Samstagabend. Ich sitze mit meinem Laptop auf dem Schoß vor dem Fernseher und soll einen Beitrag darüber schreiben, wieso ich an einem Samstagabend mit dem Laptop auf meinem Schoß vor dem Fernseher sitze. Ich könnte jetzt lang und breit darüber philosophieren, dass sich meine Gedanken einen Weg nach draußen bahnen wollten, und ich das dringende Bedürfnis hatte, meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, doch die Wahrheit ist: Ich hab es einfach nicht früher geschafft, mich hinzusetzen und meinen Werdegang Richtung Ghostwriter in den Laptop zu tippen. Ich bin nämlich im Hauptjob Mama, genauer gesagt Patchworkmama. Das sind jene Frauen, die – ohne schwanger zu sein – plötzlich doppelt so viele Kinder wie vorher haben. Quasi eine moderne Fassung der Maria.
Das bringt mit sich, dass man den ganzen Tag damit beschäftigt ist, Wäscheberge zu stapeln, Kinder von A nach B zu bringen und Sachen von C nach D zu räumen, nur um sich später rechtfertigen zu müssen, warum der Föhn nicht wie gewohnt in der Badewanne liegt, sondern im Regal. Aber ich schweife ab.
Zu einer Zeit, als Kinder für mich gedanklich so weit entfernt waren wie besagter Föhn von seinem eigentlich zugewiesenen Platz, war ich bereits in der glücklichen Lage, neben meinem Studium der Germanistik als Redakteurin meine ersten – damals noch – Schillinge zu verdienen. Es war zwar „nur“ eine Lokalzeitung, und ich hatte Termine bei diversen Schafbällen, Blasmusikfesten und Zebrastreifeneinweihungsfeiern, aber ich durfte schreiben und bekam dafür Geld. Und das war ziemlich großartig. Doch wie das Leben so spielt, hatte ich nur drei Jahre später zwar keinen Job mehr bei der Zeitung, dafür ein Kind. Diesmal mit Schwangerschaft und allem Pipapo. Das Schreiben ließ mich trotzdem nicht ganz los, doch statt selber zu texten, verdiente ich meine – mittlerweile – Euro mit dem Lektorieren von Artikeln. Konkret mit dem Korrigieren von Beiträgen über Schmuck und – meine absolute Lieblingsdisziplin – Computerspiele. Dass ich in einer Ausgabe aus einem „Nerd“ einen „Herd“ machte, zeigt, über welch profunden Fachkenntnisse ich in diesem Bereich verfüg(t)e.
Nach einem Zwischenstopp in der PR-Branche (Details erspar ich mir und dir), stand für mich fest, dass ich wieder zurück zum Schreiben wollte. Inzwischen war ich Zweifachmama und dementsprechend mit noch mehr Stress und noch weniger Zeit ausgestattet. Umso mehr freute ich mich über das Angebot einer bekannten Wiener Lokalzeitung, tageweise als Lektorin arbeiten zu dürfen. Flexibilität hatte während dieser Phase in meinem Leben einen fast höheren Stellenwert als gute Bezahlung. Mamas wissen, was ich meine. Und während ich so damit beschäftigt war, die kleinen und großen Schnitzer diverser Redakteur:innen auszubessern, machte sich plötzlich einer von ihnen von dannen, und die Geschichte mit Maria wiederholte sich: Ich kam wie die Jungfrau zum Kinde. Diesmal in Form einer Stelle als Redakteurin bei betreffender Lokalzeitung. Was folgte, waren sechs tolle Jahre in einem ebensolchen Team und hunderte abwechslungsreiche, spannende, traurige, berührende, aufrüttelnde und lustige Geschichten. Nicht nur innerhalb des Teams, auch in der Zeitung. Nur die Zebrastreifeneinweihungsfeiern – die blieben mir erhalten.
Gerade, als ich den Bogen so richtig raushatte und mich kein noch so schwierig erscheinender „Aufmacher“ schocken konnte, fühlte ich es: Es war Zeit für etwas Neues. Für etwas, das nur mir gehörte. Etwas, das mich zu dem brachte, was ich wirklich liebe, und in dem ich – glaube ich zumindest – richtig gut bin. Ich wollte Geschichten für und mit Menschen schreiben, diese in Bücher verpacken und damit andere Menschen berühren, erfreuen oder einfach nur unterhalten. Nachdem ein Alleingang in Sachen Selbstständigkeit mitten in einer Pandemie nicht besonderes verlockend war, ergriff ich die Chance und besuchte einen Lehrgang der Ghostwriting Academy. Innerhalb eines Jahres konnte ich auf diese Weise nicht nur mein eigenes Buch veröffentlichen (kleine Werbeeinschaltung: „Willst du…?“, erschienen bei der Buchschmiede), sondern durfte auch lernen, wie man Menschen dabei unterstützt und begleitet, ihr eigenes Buch zu schreiben. Und weil der Beruf „Geistschreiber“ semiattraktiv klingt, darf ich mich seit nunmehr drei Jahren Ghostwriter nennen. Ja, Ghostwriter, ganz ohne „*in“, weil der Name – nonane – aus dem Englischen kommt und die das mit dem Gendern dort etwas anderes gelöst haben.
Und was soll ich sagen? Die Sache mit der Selbstständigkeit hat sich für mich mehr als bezahlt gemacht. In jeder Hinsicht. So durfte ich in den vergangenen Jahren bereits bei 23 Büchern als Lektorin oder Editorin meinen Senf dazugeben, veröffentliche gerade mein erstes Buch, bei dem ich als Co-Autorin mitgewirkt habe („Prinzensuche im Tinderteich“ von Lily Hoffmann, ebenfalls erschienen bei der Buchschmiede), finalisiere aktuell eine spannende Biografie über einen nicht minder spannenden Menschen und verbringe nicht selten meine Samstagabende vor dem Fernseher – nicht ohne meinen Laptop auf dem Schoß, versteht sich.