Auf Tauchgang nach den inneren Schätzen
von Michaela Kempter
Wenn es so richtig drunter und drüber geht und du glaubst, dir ist der Teppich unter den Füßen weggezogen worden – der hat sich doch so fein an den Fußsohlen angefühlt, ach – in genau solchen Situationen tut sich einiges. Du magst vergessen haben, wer du bist, woher du kommst und wohin du gehst. Selbstverständlich gib es auch abgeschwächtere Varianten solcher Situationen.
Nimm mal einen Tauchgang her.
Vielleicht so?
Du legst dir eine Ausrüstung zu.
Bereitest dich mental auf den Tauchgang vor.
Am besten auch körperlich.
Und dann gehst du mit großer Vorfreude und etwas kribbeligem Gefühl an den Start.
Ist es dein erster Tauchausflug?
Im Boot auf der Fahrt übers Meer zum Ausgangspunkt deines Tauchgangs merkst du schon: WOW, das ist groß! Du wirst gleich mit Tauchausrüstung das Boot verlassen und in die Weite des Meeres hinabsinken, darin herumschwimmen und in der Unendlichkeit einer anderen Welt begegnen.
Bin ich dort sicher? Oder kann ich jederzeit attackiert werden? Schaffe ich den Druckausgleich?
Tauchen kann gefährlich sein.
Deshalb gibt es Vorbereitungsstunden im Pool. Das macht Sinn. Also, du bist vorbereitet und wirst den Anweisungen des Tauchlehrers / der Tauchlehrerin folgen und ruhig und tief atmen, und alles wird gut. Die Welt oberhalb von dir wird eine ganze Weile keine Rolle spielen. Wirklich nicht. Es wird sich so anfühlen, als gäbe es sie nicht. Es wird sich eine neue zauberhafte Welt auftun, in der du dich vielleicht wie ein Eindringling fühlen wirst. Dennoch wirst du nur daran vorbeigleiten, staunend mit einer riesigen Faszination die großen und kleinen Fische bewundern. Du wirst blaue Seesterne und Minifische mit langen roten Nasen an dir vorbeihuschen sehen. Die gemütlich am Boden liegenden Seegurken werden sich nicht rühren. Du wirst die Korallen in ihrer Farbenpracht bewundern und dich das ein oder andere Mal fragen: Kommt da demnächst ein giftiges Tier hervor?
Es werden Mini-Haie unter dir vorbeischwimmen, die sich wirklich null komma gar nicht für dich interessieren. Dir begegnen sich schnell in den Sand bohrende Schlängchen – wofür sind die wohl da?
Also du bist jetzt „draußen“. Auf hoher See. Nur du und der Neoprenanzug sowie die endlose Weite des Ozeans. Ja, in solch einer Situation kannst du dich wahrnehmen. Jetzt könntest du dir wichtige Fragen stellen. Naja, das tust du vielleicht nicht, weil du ganz aufmerksam bist und gleichzeitig genießt.
Während des Tauchgangs bist du also mit Wundern und Staunen beschäftigt, mit den Regeln, die du einhältst, damit du wieder gesund und munter nach oben kommst und mit den ein oder anderem ängstlichen Gefühl.
Und jetzt kannst du dich fragen: Welche inneren Kräfte waren da am Wirken, während des Tauchgangs, ohne, dass sie dir bewusst waren?
Kommt Mut in deiner Liste vor? Oder Vertrauen? Was auch immer dir eingefallen ist, es sind alles Schätze, die in dir verborgen sind. Möglicherweise vergessen geglaubt oder noch nie erkannt.
Deine sechs inneren Schätze
In der Yoga-Philosophie werden sechs innere Schätze genannt. Wenn du mal genauer hinschaust, magst du den ein oder anderen Schatz während deines Tiefgangs aktiviert haben.
Dazu zählen:
. die innere Stille und Gelassenheit
Stell dir vor, du bewegst dich die ganze Zeit nervös herum. Dann wird das sicher nichts mit dem Tauchvergnügen. Wenn du dich gelassen bewegst, dann hast du mehr Genuss beim Staunen, und wenn du Glück hast, kommt deine innere Stille zum Vorschein.
. die Selbstkontrolle
Bewusstes Atmen ist essenziell beim Tauchen. Ängstliche Gefühle nicht überhandnehmen lassen ist auch ganz schön wichtig. Unüberlegtes Handeln ist fehl am Platz.
. Vertrauen
Du vertraust darauf, dass du mit deinem Wissen und Können alles hast, was du brauchst, um unter Wasser eine schöne Zeit zu verbringst und dir nichts passieren wird. Dadurch wird dein Selbstvertrauen gestärkt. Das Vertrauen ist dein Glaube, und deine Gewissheit ist, dass du es schaffen wirst.
. über den Dingen stehen, nichts fürchten und von nichts abhängig sein
Das scheint eine große Herausforderung zu sein. Aber hier gilt: Übung macht den Meister! Beim nächsten Tauchgang kannst du schon ganz anders mit deinen Ängsten und Befürchtungen umgehen.
. Gleichmut und innere Stärke
Damit du deinen Zweifeln nicht gleich nachgibst, kannst du deine innere Stärke gut gebrauchen. In der Gleichmut steckt der Mut, den du schon aufgrund deiner Entscheidung, abzutauchen, hervorgeholt hast. Mit dem Gleichmut behältst du die Fassung, auch wenn die Situation eine brenzlige ist.
. innere Sammlung und Zielgerichtetheit
Du hast dir ein Ziel gesteckt? Verlier es am besten nicht aus den Augen.
Die innere Sammlung ist auf dem Weg sehr hilfreich. Sie kann dir zur Seite stehen, wenn Schwierigkeiten auftauchen sollten, nicht vom Weg abzuschwimmen.
Kannst du in der Rückschau erkennen, was du unter Wasser aus deinem Schatzkistchen ausgepackt hast? Alles, was du schon konntest oder was sich erstaunlicherweise gezeigt hat, das du im Stande bist zu tun?
Pack deine Schätze aus und bring sie zum Strahlen. Zeig sie her!
Nach dem Tauchen erstrahlst du vielleicht in neuem Licht. Durchaus gestärkt und voller Magie. Also, da kommt auf einmal Sternenstaub vom Himmel, oder wie?
Naja, das funktioniert eigentlich ganz ohne, aber es fühlt sich womöglich so an. Ob du ihn dir dazu noch vorstellst, das liegt dann ganz an deinen eigenen Vorlieben. Empfehlen tu ich’s dir schon. Wenn du aufs Optische stehst, ist das schon eine feine Sache. Sonst lässt du es aus und spürst und staunst.
Die wichtigste Voraussetzung allerdings, um an die inneren Schätze zu gelangen, ist, aufzustehen und etwas zu tun.
Denn vom Herumsitzen bekommst du bestimmt Pobackenblasen.