Jeden Cent wert

von Sarah Ritt

Hinweis

Trigger-Warnung! Gewalt

Wo war er da nur reingeraten? Gerade noch war er in der Eingangshalle seines Hotels gestanden und wollte einchecken, und nun hatte er einen Sack über dem Kopf und seine Hände waren hinter seinem Rücken zusammengebunden. Er fühlte, dass er auf einem Sessel saß, im Dunkeln, und irgendwo tropfte Wasser, wie aus einem undichten Wasserhahn. Plötzlich quietschten die Angeln einer Türe und eine tiefe Stimme fragte spöttisch: „Na, wen haben wir denn da? Wer ist uns denn da in die Falle gegangen? Für dich kriegen wir sicher eine hübsche Summe – aber vorher,“ schwere Schritte näherten sich ihm,  „werd‘ ich noch ein bisschen mit dir spielen.“ Eine raue, große Hand packte ihn im Nacken, als wäre er ein Spielzeug oder ein ungezogener Hund, und drückte ihn nach unten. Obwohl er nichts sehen konnte, schloss er die Augen, als er aus dem Sessel auf den Boden gedrückt wurde, und als er mit dem Gesicht voran dalag und unwillkürlich den Staub am Boden durch den Sack einatmete, merkte er, dass er am ganzen Körper zitterte. „Bitte…“ hörte er sich selbst wimmern, „bitte…“ Weiter kam er nicht, denn ein lautes, kehliges Lachen unterbrach ihn. „Was ist denn? Hast du Angst, du kleine Made? Fühlst du dich etwa hilflos, weil du deine zarten Händchen nicht benutzen kannst, du Versager? Du bist selbst schuld, darfst dich halt nicht fangen lassen! Und jetzt hältst du besser ganz still, bevor dir noch was passiert.“

Er spürte eine Hand zwischen seinen Schenkeln, während die andere Hand ihn immer noch nach unten gedrückt hielt. „Braver kleiner Schoßhund“, spottete die Stimme „beweg dich ja nicht, hier unten hört dich niemand schreien.“


„Liebling, nur ganz kurz, mein Chef hat heute verkündet, dass wir alle diese Woche länger bleiben müssen, wegen des Quartalsabschlusses. Tut mir leid, bitte warte nicht auf mich!“ „Häschen, lass deinen Chef doch nicht so auf dir rumtrampeln! Sag ihm mal deine Meinung! Naja, wie ich ihn kenne, würde er dich dafür feuern. Ich denk an dich, mein Mäuseschnäuzchen, ich liebe dich!“ „Ich dich auch, Liebling!“ Er legte auf, steckte sein Handy in seine Anzugtasche und seufzte. Er belog seine Frau so ungern und konnte das auch nur am Telefon, weil man ihm ansonsten sofort seine Unehrlichkeit ansah. Er konnte ihr nicht erklären, was er tatsächlich nach der Arbeit machte, dass er eine Unsumme dafür bezahlte, sich von Prostituierten – männlichen, noch dazu! – ‚entführen‘ zu lassen und wie sehr er es genoss, ihnen komplett ausgeliefert zu sein. Nur für eine kurze Zeit musste er sich um nichts kümmern, an nichts denken, nur gehorchen, und durfte endlich der devote Part im Bett sein.

Nein, seine Frau durfte nie davon erfahren! Schon gar nicht eine Woche vor Weihnachten!

Sarah Ritt ist Ghostwriter und Autorin.

Mehr zu ihr findest du hier.