Fiumicino Diaries, Teil 2
Ich bin ein Ghostwriter, holt mich hier raus!
Und dann … heben wir ab. In einen wunderschönen Sonnenuntergang hinein. Das erste Mal seit vier Jahren. Über die Wolken — wörtlich. Die Stewardess, die die Ansagen macht, hat fix eine Wette verloren! Sie artikuliert durch die Nase wie eine Baronesse. Ich beginne in meinem Kopf — und hoffentlich wirklich nur da — zu summen: „Zwei verliebte Nasenbären fliegen durch die Nacht …“
Meine kleinere Hälfte ist immer noch recht entspannt. Und gleich darauf sind wir im Landeanflug auf Rom.
Ich so zu Moni: „… und wann wird geklatscht?“ Sie bedroht mich mit einem Blick, der Bände spricht: „Klatsch, und du wirst geklatscht!“ Wortlos.
Eine Viertelstunde bis zur geplanten Landung. Das Flugzeug rollt aus, und ich kann unser Glück gar nicht fassen. Schreibe sofort an unsere AirBNB-Vermieterin: „Arrived in Rome early. Should be there at 21:30!“ Sie freut sich.
Im Flugzeug währenddessen: „Bitte bleiben Sie noch kurz sitzen!“ Worauf alle aufspringen und ihr Handgepäck aus den Fächern holen. Ich werfe einen erneuten Blick auf die entspannte Frau neben mir: „Können wir zuerst alle aussteigen lassen, die Angst haben, dass der Weg abbricht, wenn sie nicht schnell genug draußen sind?“ Sie nickt milde.
Fünf Minuten bis zur geplanten Landung. Von außen ruckelt es heftig. Noch immer stehen alle herum. Nun schon leicht nervös. Ansage vom Käptn: „Liebe Passagiere, leider gibt es technische Probleme mit der Gangway (jo, das heißt anders, fällt mir aber grad nicht ein). Bitte haben Sie noch etwas Geduld!“
Leichte Unruhe kommt auf. Ich kann mir ein Grinsen schwer verkneifen.
Spiele auf meinem Handy und schreibe unserer Gastgeberin die nächste Nachricht: „Sorry. Still on board. They seem not to be able to manage the exit tube.
Feeling a little stuck …“
Sie antwortet mit einem „“
Zehn Minuten nach der geplanten Landung. Mittlerweile sind Männer in Gruppen und einzeln gekommen und gegangen. Hin und wieder hat es geruckelt. Aber das war es dann auch. Und langsam wird es etwas stickig hier — oder spielt mir meine Fantasie Streiche?
Doch da — ein Lichtblick! Eine höchst professionell wirkende Frau eilt geschäftigen Schrittes auf die Anschlussstelle zu. Ich zum besten Eheweib von allen: „Eine Frau! Wir sind gerettet!“ Ganz so leise geraunt wie gedacht hab ich wohl doch nicht, denn einige Köpfe drehen sich zu mir um, inzwischen leicht gereizt.
Was als Scherz gemeint war, sollte sich allerdings bewahrheiten, denn schon zwei Minuten später kam eine erleichterte Durchsage der Stewardess, diesmal ohne Nasenbär: „Sie können jetzt aussteigen. Danke für Ihre Geduld!“
Also nix wie raus und dann drei Kilometer durch den Flughafen gewandert. Mein Verdacht ist ja, dass die einen so lange im Kreis schicken, bis alle Koffer ausgeladen sind.
Doch endlich, endlich kommen wir bei der Gepäcksausgabe an. Schon von der Weite sehe ich meinen rosarot metallic Koffer leuchten. Gut! Wenigstens einer ist fix angekommen. Ich bin Moni so dankbar, dass sie mich zu dieser Farbe überredet hat: „ Den erkennt man wenigstens von der Weite!“ Genau! Und bevor er wieder um die Ecke fährt, drück ich Moni unser Notfallsackerl mit ihren Mannerschnitten in die Hand und stürme los. Kralle mir meinen Koffer. Jetzt merke ich erst, wie müde ich bin — der fühlt sich so schwer an mit seinen nicht einmal neun Kilo! Oder hat mir da jemand Schmuggelgut untergejubelt?
Ich stutze. Und schau genau auf den Koffer in meiner Hand. SHIT! Das ist nicht meiner!
Dem fehlt auch der Anhänger, den ich in der Früh noch draufgehängt habe! Oh Gott, ich stehle gerade einen Koffer! Panisch versuche ich, ihn wieder aufs Band zu bekommen. Da sind blöderweise andere Koffer im Weg, aber ich gebe nicht auf, laufe neben dem Rollband her … bis es mir die Füße wegzieht und ich mitsamt Koffer in hohem Bogen auf dem Steinboden der Halle aufschlage. Während ich noch erschrocken und leicht beschämt versuche, wieder auf die Beine zu kommen, steht schon Moni neben mir. Und ein fremder Mann, der den einen Koffer aufs Band hebt, dem anderen aufhilft und fragt, ob alles okay ist.
Ja, alles unverletzt, außer meiner Würde.
Unsere eigenen Koffer fahren übrigens nur Sekunden später hämisch grinsend an uns vorbei.
Ende gut, alles gut?
Ja, in diesem Fall wirklich.
Ein paar Minuten und ein paar Tschick später schlagen wir in Fiumicino auf, werden herzlich in Empfang genommen und haben an diesem Abend um fast 23:00 noch die Gelegenheit, uns heillos zu überfressen. Doch das ist eine andere Geschichte.
Lisa Keskin ist
Autorin, BuchMacherin,
Leiterin der Ghostwriting Academy
und Schreibcoach