Vanillekipferl

von Martina Hutter

Vanillekipferl

Erinnerung an Weihnachten, wie es früher mal war, als wir im Auto saßen und hofften, unser Auto würde durchhalten und uns sicher ans Ziel, zu Oma, bringen.

Sie war über 80 und lebte allein in ihrem kleinen, alten Haus. Jedes Jahr lud sie einen Menschen aus dem Ort ein, der einsam war und niemanden hatte, um mit ihm Weihnachten zu verbringen. So war es immer spannend, mit wem wir den Abend verbringen würden.

„Niemand soll zu Weihnachten allein sein“, sagte sie stets.

Raus aus dem Auto, und schon konnten wir den wundervollen Geruch ihrer Vanillekipferl wahrnehmen. Die Mischung aus Vanille und Zucker, der Gedanke daran, wie diese Kekse auf der Zunge zergehen würden. Nur hier und nur bei ihr rochen die Vanillekipferl so gut. Das Rezept wurde seit Generationen weitervererbt.

Sofort machte sich ein warmes Gefühl in uns breit und wurde nochmal verstärkt von der Herzlichkeit unserer Oma, als sie uns begrüßte und fest in die Arme nahm. Ihre liebevolle Art und Wärme waren ansteckend und ergreifend.

Die reale Wärme stammte vom Ofen, der Hitze abstrahlte und einzige Wärmequelle im Haus war. Das Holz knisterte laut und hatte etwas Beruhigendes. Oma legte Holz nach, und das Feuer schlängelte sich aus der kleinen Öffnung, als wolle es mit uns zu tanzen beginnen.

Der Weihnachtsbaum war sorgfältig und traditionell geschmückt. Kleine Engelsfiguren kämpften um ihren Platz mit den Weihnachtskugeln und ganz oben entdecken wir das Engelshaar. Alles war gut. Wir sangen bedächtig „Stille Nacht“ und freuten uns darauf, anschließend die Geschenke auszupacken. Oma strahlte, als sie unsere fröhlichen Gesichter und die Dankbarkeit ihres Gastes sah. Das Abendessen hatte sie den ganzen Tag vorbereitet und wenn Liebe durch den Magen geht, dann schmeckte man das genau heute.

Wenn wir uns danach nebenan müde ins Bett legten, war es dort meist kalt. Doch Oma hatte Ziegel am Ofen gewärmt, die unsere Füße lange anhaltend erwärmen sollten.  „Wenn einem warm ums Herz ist, friert man nicht“, sagte sie dann gerne, bevor sie uns küsste, zudeckte und eine gute Nacht wünschte.

Heute ist Oma nicht mehr unter uns Lebenden.

Es ist der 24. Dezember.

Mir ist heiß, die Heizung ist zu stark an.

Ich bin allein.

Das zweite Glas Rotwein sieht mich hämisch an und die Pizzaschachtel hält sich den Bauch vor Lachen ob meinem „Festessen“.

Das letzte Türchen von meinem Adventkalender, der neuen App von meinem Lieblingsversandhandel mit 24 großartigen Angeboten, habe ich schon aufgemacht.

Es war kein Schnäppchen, wie ich es erhofft hatte.

Der Weihnachtsbaum ist seit Jahren wunderschön geschmückt.

Die Black Friday-Aktion hat sich vorletztes Jahr super bezahlt gemacht, ein Schnäppchen war der Plastikbaum und silber/blau sind zeitlose Weihnachtsbaumdekofarben.

Meinen Status in den sozialen Medien haben schon 28 „Freunde“ geliked.

Persönlich geantwortet hat niemand.

Weit hast du es gebracht, dass du hier allein sitzt, im Warmen zu Hause, aber im Herzen ist es kalt. Moment, ging der Spruch nicht anders?

Von weit her höre ich ein Läuten. Das Christkind wird´s nicht sein.

Ich realisiere, es klingelt an der Tür.

Ich will nicht. Aber wann wollte ich schon zuletzt?

Seufzend erhebe ich mich.

Nicht mal heute kann ich ungestört über mein sinnloses Dasein nachdenken und mir leidtun.

Der Duft der himmlischen Vanillekipferl, wie nur die von Oma riechen, erreicht meinen Flur, noch bevor ich die Tür öffnen kann, wo meine Mama jetzt steht, mich in den Arm nimmt und mir zuflüstert: „Niemand soll zu Weihnachten allein sein.“

Martina Hutter ist angehende Autorin und Ghostwriter.