Frohe Hawaiihnachten!
Elo Blau
Elo Blau
Im Extrazimmer eines Wiener Semi-Nobelheurigens. Mit dem Ellenbogen auf dem Tisch lümmelnd und das Kinn auf ihren Handballen gestützt, quälte sich Gina zu einem müden Lächeln. Die Firmenweihnachtsfeier zog sich wie ein ausgelutschter Hubba Bubba, die vermeintlichen Schenkelklopfer des Chefs wurden proportional zum Punschkonsum immer geschmackloser und eine Bubble zu bilden, in die sie sich beamen konnte, wollte auch nicht mehr so richtig funktionieren. Mit Belle – Ginas bester Freundin und Arbeitskollegin – hätte es lustig werden können. Doch diese surfte gerade auf der ersten Erkältungswelle und befand sich daher krank im Bett. Gina hoffte inständig, dass Belle rechtzeitig fit würde, sie wollte ihr in drei Tagen beim Punschen am Christkindlmarkt Phil, den hotten neuen Studienkollegen ihres Freunds Flo, vorstellen. Beim Anblick von dessen Foto am Handy hätte sie beinahe aufs Display gesabbert. Es musste einfach klappen!
Gina fröstelte es schon den ganzen Tag und sie wollte einfach nur mehr heim ins Bett. Sie war erleichtert, als der Chef sein Glas zu einem letzten Trinkspruch erhob und den Kollegen schöne Feiertage wünschte. Denn er begab sich bereits zwei Wochen davor in den Urlaub. Ihre Nase kitzelte. „Frohe …. Haaaaa …. Weihnachten!“ Gerade konnte sie das Niesen noch unterdrücken. Doch ihre Wortkreation wurde seither zum Running Gag im Büro. Am nächsten Tag wachte sie mit einer rinnenden Nase und einem kratzigen Hals auf. Sie fühlte sich, als ob sie ein LKW überrollt hätte. Das durfte doch nicht wahr sein! Nur mehr zwei Tage bis zum Date mit Phil! Ganz schlechtes Timing. Gina warf also Paracetamol ein und schleppte sich in die Firma. Diesen Weg hätte sie sich ersparen können, denn ihre Kollegen waren kollektiv der Meinung, sie ganz schnell wieder loswerden zu wollen, um sich nicht vor dem Urlaub anstecken zu lassen. Also fuhr sie rasch zum Arzt, um sich krankschreiben zu lassen und dann gab es nur eine Mission: turbomäßig auskurieren! Der Countdown lief. Und er lief schief. Die Grippe hatte Gina fest im Griff, und das einzige, was bei ihr mit Tempo funktionierte, war das Schnäuzen, nicht jedoch das rasche Genesen.
Da war sie nun also dahin, die Perspektive auf Mr. Right. Und der Ausblick auf den Heiligen Abend machte sie auch nicht froher, im Gegenteil. Es sollten die ersten Weihnachten alleine in der neuen Wohnung werden. Ihre Eltern hatten beschlossen, im ersten Jahr nach ihrer Pensionierung der Kälte zu entfliehen und auf einer Kreuzfahrt in der Südsee zu feiern. Ohne sie. Eiskalt. In der Hitze. Um die Stimmung nicht noch melancholischer werden zu lassen, verdammte Gina ihren Weihnachtsschmuck heuer dazu, in seiner Kiste zu überwintern und stellte stattdessen demonstrativ die Osterdeko auf. „Kind, du musst erwachsen werden und mal offen für was Neues sein“, hatte ihr ihre Mutter schließlich offeriert, als Gina mit enden wollender Freude auf die Südsee-Pläne reagiert hatte. Aus dem Radio „Last Christmas“ in gefühlter Dauerschleife mit dem Blick auf kleine Hoppelhäschen und Lämmchen war in der Tat ungewohnt und so schräg, dass Gina es beinahe schon wieder mochte.
Nach knapp zwei Wochen hatte sich ihr Gesundheitszustand allmählich gebessert, doch ihre Freunde waren alle dermaßen im Vorweihnachtsstress, dass sich ein gemeinsames Punschen nicht mehr vereinbaren ließ. Also musste der Rathausplatz heuer ohne sie auskommen.
Der 24. Dezember war gekommen. Um den Stilbruch weiter zu zelebrieren – ihre Mutter hatte sonst immer ein piekfeines Vier-Gänge-Menü gezaubert –, holte sich Gina ein prall gefülltes Sackerl vom Mäci mit allerhand gesunder Köstlichkeiten. Die Warterei zwischen den Gängen hatte sie sowieso immer nur genervt. Gina wollte ihr Food gern fast, und danach einfach nur überfressen vor dem Fernseher auf der Couch wegbrechen.
Sie war bereits in ihre weiße Kuscheldecke gewickelt eingenickt. Meeep. Das fiese Piepen der Gegensprechanlage riss sie aus ihrem Dämmerschlaf. „Ach lasst mich doch in Frieden“, dachte sie und reagierte vorerst nicht. Es klingelte abermals. So lange, bis es ihr zu blöd wurde. Zu faul, um nach dem unter die Couch gerutschten zweiten Schlapfen zu suchen, trottete Gina in ihren Flauschsocken zur Tür. „Was?“, pfauchte sie grumpy. „Pizza!“ Seltsam. Sie hatte doch gar nichts bestellt, die mussten sich in der Adresse vertan haben und wollten bestimmt zu einer anderen Wohnung. Karitativer Weise öffnete sie das Haustor. Dann ließ sie sich wieder auf die Couch plumpsen und wollte weiter mit Columbo fernschlafen. Einige Minuten später klingelte es an der Tür. „Echt jetzt?“ Abermals trotze sie missmutig der Schwerkraft, begab sich ins Vorzimmer und lugte skeptisch durch den Spion. „Tür auf, Augen zu“, tönte es von einer ihr sehr vertrauten Stimme. Es war Belle. Verdutzt tat Gina, wie ihr geheißen wurde. Plötzlich hatte sie eine Blumenkette um den Hals. „Frohe Hawaiihnachten“, riefen Belle, unter deren Mantel ein Baströckchen hervorlugte und Flo, der eine mit bunten Kugeln geschmückte kleine Palme auf dem Arm hatte. „Wir haben die Sache mit der Family schon erledigt, und jetzt bist du dran! Du wolltest Weihnachten einmal anders => kannst du haben!“ Gina schmunzelte ob der originellen Idee ihrer BFF. „Du kommst jetzt mit“. Belle packte die leicht verwirrte Gina an der Hand und zog sie mit sich ins Badezimmer. „Da – anziehen!“. Sie reichte ihr ebenfalls einen Bastrock. „Hey – das ist aber schon ein bissl luftig für die Jahreszeit, ich war gerade krank!“ Obwohl Gina überhaupt keine Lust drauf hatte, sich aus ihrem flauschigen Teddy-Jogger zu schälen, wusste sie um die Hartnäckigkeit ihrer Freundin, und daher auch, dass Widerstand zwecklos war. Also entledigte sie sich seufzend der Wohlfühlklamotte, während Belle zielstrebig aus Ginas Kasten einen schwarzen Rolli und eine Leggings holte. „Ich lass dich doch nicht erfrieren, Schatzi, darfst eh was drunter anziehen. Jetzt mach noch so eine Art Frisur aus dem Nest auf deinem Kopf und bissl Mascara drauf!“ „Wozu Kriegsbemalung? Wir sind ja unter uns, da müssen wir’s ja nicht übertreiben!“ „Mach! In fünf Minuten bist du fertig!“ Als Gina aus dem Bad kam, ertönten hawaiianische Klänge. Belle hatte inzwischen die Weihnachtspalme zwischen den Osterhasen auf der Kommode drapiert und noch einiges an bunten Seidenblüten und landestypischem Dekozeug im Wohnzimmer verteilt. Flo machte den Barkeeper und war bereits dabei, Mai Tais zu mixen. „Ihr seid die Besten!“, lachte Gina. Dann hielt sie inne. Warum genau standen da vier Cocktailgläser am Tisch? „Flo, ich glaub, du hast dich da um eines vertan, aber kein Problem, ich trink auch Stereo!“, argumentierte sie pragmatisch. „Hat er nicht, ist für dein Geschenk!“, grinste Belle, „Apropos: Du kannst es dir am Gang abholen, das Christkind hat es dort deponiert, während du im Bad warst!“ Was sollte das jetzt wieder heißen? Gina öffnete abermals die Tür und im gleichen Atemzug klappte ihr die Kinnlade herunter. Da stand er: Phil – live und in Farbe. Mit der Betonung auf Farbe, denn er trug ein rotes Hawaiihemd mit knallbunten Blüten und eine Santa-Mütze. „Sie hat gesagt, ich muss das tragen“, stammelte er leicht nervös und zeigte auf Belle, „Hi übrigens!“. „Same here! Auch hi!“. Die beiden starrten einander ebenso verlegen wie fasziniert in die Augen, während Phil bereits von einem Bein aufs andere stieg. „Ah… dürft‘ ich vielleicht reinkommen? Ist zwar jetzt nicht romantisch, aber ich müsst dann mal dringend „Hono-Lulu“!“ Gina zeigte ihm lachend das WC.
Es wurde ein toller Abend mit tropischen Flair, Cocktails, Osterhasen und jeder Menge Spaß. Nicht zu vergessen: auch mit ganz viel Weihnachtszauber, denn möglicherweise hatten Gina und Phil in jener besonderen Nacht den Grundstein für eine ganz besondere Zukunft gelegt. Und mal ehrlich – Jahrestag zu Weihnachten ist superpraktisch. Sollte man mal drauf vergessen, hat man immer ein Geschenk parat! 😉 In diesem Sinne: ein wunderschönes Fest der Liebe euch allen!
Elo Blau ist Autorin und Ghostwriter.