Luca und das Christkind

von Conny Sellner

Wenn du an das Christkind denkst: Wie sieht es aus? Hat es blonde Locken und ein weißes, Kleid mit goldenen Sternen drauf? So stellen sich wohl die meisten Kinder das Christkind vor, doch was viele nicht wissen: Es hat nicht immer so ausgesehen… und das war so:

Es war einmal ein kleiner Engel namens Luca. Der lebte zusammen mit Tausenden anderen Engeln hoch oben im Himmel. Dort gab es alles, was das Herz begehrt. Spielplätze mit Wolkenrutschen, Zuckerwatte in Sternenform, glitzernde Blumenwiesen und das Beste: die Werkstatt vom Christkind, in der alle Engel zusammenhalfen, um die unzähligen Spielsachen für die Kinder zu Weihnachten herzustellen und in buntem Geschenkpapier zu verpacken. Für Engel war es die größte Ehre, in der Werkstatt mithelfen zu dürfen. Auch Lucas größter Wunsch war es, dem Christkind zur Hand zu gehen. Doch ausgerechnet in jenem Jahr, in dem er an der Reihe gewesen wäre, war für ihn kein Platz mehr in der Werkstatt frei. Der kleine Engel war schrecklich traurig und fühlte sich nutzlos. Die anderen Engel versuchten ihn zu trösten, doch nichts konnte helfen, ihn wieder zum Lächeln zu bringen. Und das Schlimmste daran: Solange Luca traurig war, konnte er auch nicht fliegen! Eine echte Katastrophe!

Seine Freunde waren sehr besorgt um Luca, denn einen traurigen Engel hatte es noch nie im Himmel gegeben. Schließlich machten sie sich auf den Weg zum Christkind, um es um Rat zu bitten. Vorsichtig klopften sie an seine Tür und eine sanfte Stimme sprach: „Bitte kommt herein!“ Vorsichtig öffneten die Engel die goldene Tür und traten in das Zimmer des Christkindes.

Kennt ihr die Sterne, die man an die Wand kleben kann und die im Dunkeln leuchten? Genau solche Sterne gab es auch im Zimmer vom Christkind. Nur waren diese Sterne natürlich echt und leuchteten immer dann, wenn das Christkind sprach. Dann wurde es ganz hell im Raum – hell und warm.

„Hallo, meine lieben Engel. Was führt euch zu mir?“, fragte das Christkind. „Es tut mir leid, dass wir dich ausgerechnet zu Weihnachten stören, aber wir machen uns große Sorgen um Luca. Er hat keinen Platz mehr in deiner Werkstatt bekommen und fühlt sich deshalb nutzlos. Kannst du ihm bitte helfen?“, antworteten die Engel. Das Christkind blickte kurz nach oben, wuschelte mit den Fingern durch seine kurzen, schwarzen Haare und strich sein pinkes Nachthemd glatt: „Hmmmm, das ist wirklich ein großes Problem. Schließlich können traurige Engel auch nicht mehr fliegen. Danke, dass ihr euch so um euren Freund sorgt. Ich werde gleich mit ihm reden.“

Während die Engel in die Werkstatt zurückkehrten, um die restlichen Spielsachen einzupacken, flog das Christkind auf direktem Weg zu Luca. Sie fand den traurigen Engel mit den blonden Locken auf einem winzig kleinen Regenbogen. Den konnte er auch ohne Flügel erklimmen. Als er das Christkind sah, lächelte er – aber nur kurz. Denn sofort musste er wieder daran denken, dass er ihm nicht dabei helfen konnte, die Kinder an Weihnachten glücklich zu machen. „Hallo Luca, ich habe gehört, du bist traurig, weil du keinen Platz mehr in meiner Werkstatt bekommen hast?“. Das Christkind setzte sich neben den kleinen Engel. „Ja, ich fühle mich nutzlos, weil ich nichts tun kann, um dir zu helfen“, schluchzte Luca. Da legte das Christkind seinen Arm um die Schultern des kleinen Engels und sagte: „Ich weiß, wie du mir helfen kannst!“ Luca strahlte: „Wirklich? Wie?“ „Hilfst du mir dabei, meinen ganz persönlichen Weihnachtswunsch zu erfüllen?“, erwiderte das Christkind. Der kleine Engel konnte sein Glück kaum fassen und rief laut: „Natürlich will ich das! Aber wie?“

Da lachte das Christkind und zeigte auf seine Haare. „Hilfst du mir bitte, eine neue Frisur zu bekommen? Ich habe große Lust auf eine Veränderung, aber allein traue ich mich nicht.“ Luca war verwirrt. Er hatte vom Haare färben keine Ahnung und einen Lockenstab kannte er nur von seiner großen Schwester Leonie. Das Christkind bemerkte seine Zweifel und beruhigte ihn: „Keine Sorge, du musst nichts weiter tun, als deine Fantasie einzusetzen. Schließ einfach deine Augen und stell dir vor, wie ich aussehen soll – und wir schauen, was passiert“, schlug das Christkind vor. Luca wollte schon widersprechen, aber das war schließlich das Christkind. Es wusste sicher, was es tat.

Der kleine Engel schloss folgsam seine Augen und ließ seine Fantasie spielen. Als er die Augen nach wenigen Minuten wieder öffnete, konnte er nicht glauben, was er da sah. Neben ihm saß immer noch das Christkind. Doch statt seiner kurzen, schwarzen Haare hatte es lange, blonde Locken, die so hell strahlten, dass Luca seine Augen zusammenkneifen musste, um nicht geblendet zu werden. Doch nicht nur die Frisur hatte sich verändert. Statt seines pinken Nachthemds hatte das Christkind plötzlich ein weißes Kleid mit lauter goldenen Sternen an. „Ups, das war zwar nicht so geplant! Aber warum eigentlich nicht?“, lachte das Christkind, als es sein neues Outfit sah.

„Wie gefalle ich dir?“, fragte es den kleinen Engel. „Du bist wunderschön!“, flüsterte Luca, dem es beim Anblick des Christkinds die Sprache verschlug. „Ich fühle mich auch richtig toll. Danke, du hast mir meinen großen Wunsch erfüllt!“ Luca lächelte glücklich und schlug aufgeregt mit seinen Flügeln, die endlich wieder funktionierten. Das Christkind nickte zufrieden: „Jetzt muss ich aber los. Heute ist ja Weihnachten und ich muss mich beeilen, damit alle Kinder noch rechtzeitig ihre Geschenke bekommen.“

Mit einem Zwinkern machte sich das erblondete Christkind auf den Weg zur Erde, wo es in Windeseile alle Packerl auslieferte. Sein neues Aussehen sorgte nicht nur bei den Engeln, die es auf seiner Reise begleiteten, für großes Staunen. Auch die Kinder, die das Glück hatten, einen Blick auf das Christkind zu werfen, waren von seinem neuen Look begeistert.

So kam es, dass auf vielen Wunschzetteln im kommenden Jahr auch Bilder vom verwandelten Christkind zu sehen waren: Mit langen blonden Locken, in einem strahlend weißen Kleid und mit einem breiten Lächeln – schließlich wurde auch sein großer Weihnachtswunsch erfüllt.

Conny Strumberger-Sellner ist Editorin, Ghostwriter und Autorin. Außerdem ist sie Trainerin der Ghostwriting Academy sowie Chefredakteurin der DBZ.

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